Für ein friedliches Zusammenleben von Menschen und Elefanten in Nepal

Für ein friedliches Zusammenleben von Menschen und Elefanten in Nepal

Von Thies Geertz, Projektmanager

Wer an Nepal denkt, denkt an die Gipfel des Himalayas, das Annapurna-Basiscamp und vielleicht die Bezwingung von Achttausendern mit Sauerstoffgerät. Nur wenige wissen jedoch, dass sich unterhalb des Himalayas ein schmales tropisches Tiefland erstreckt, in dem Tiger, Panzernashörner und Elefanten einen Rückzugsort finden. Oder so seltsam anmutende Kreaturen wie der Gangesgavial (siehe Bild), eine extrem seltene bis zu sechs Meter lange Krokodilart, von denen es in freier Wildbahn nur noch etwa 200 Tiere gibt.  Dort unten, im Terai-Tiefland, an der Grenze zu Indien, befindet sich der Bardiya Nationalpark, in dem etwa 100 asiatische Elefanten unter strengem Schutz stehen. Das sind fast zwei Drittel des gesamten Bestandes in Nepal. Seit 2019 führt der Global Nature Fund dort gemeinsam mit der lokalen Naturschutzorganisation Ujayalo Nepal und in Kooperation mit dem NABU ein Projekt durch, das der lokalen Bevölkerung und der Elefantenpopulation gleichermaßen zugutekommt. Gefördert wird das Projekt vom Bundeministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Das Ziel des Projektes ist es, die friedliche Koexistenz zwischen Farmern und Elefanten in der Pufferzone des Nationalparks zu fördern. Denn immer wieder gelangen die Elefanten auf ihren ausgedehnten Streifzügen in die Dörfer und zertrampeln die Ernten. In der Folge kommt es zu heftigen Konflikten, die nicht selten für Elefanten, aber auch für einzelne Dorfbewohner*innen tödlich enden.

Erstmals seit der Pandemie war es möglich, das Projekt zu besuchen und ich bin dafür in den äußersten Südwesten Nepals gereist. Nach einem einstündigen Flug mit einer Propellermaschine von Kathmandu aus vorbei an den schneebedeckten Gipfeln des Himalaya landete ich in der Provinzhauptstadt Nepalganj. Von dort aus sind es nochmal drei Stunden Autofahrt bis zum Bardiya Nationalpark. Überall erstrecken sich goldgelbe Reisfelder. Nach dem ergiebigen Monsunregen des Sommers ist es nun trocken geworden. Es ist Erntezeit und alle verfügbaren Kräfte arbeiten ununterbrochen auf den Feldern, um die Reisernte einzuholen, die Millionen von Nepales*innen ernährt. In den vergangenen Jahrzehnten kam es zu einem stetigen Zuzug von Menschen aus dem schwer zu bewirtschaftenden Bergland in die Terai-Tiefebene mit ihren fruchtbaren Schwemmlandböden. Die Landwirtschaft wurde stetig ausgeweitet und der Wald, welcher der angestammte Lebensraum der Elefanten ist, wurde immer weiter abgeholzt, um Felder anzulegen.

© Thies Geertz/GNF

 

© Thies Geertz/GNF

 

Konflikte zwischen Mensch und Elefant nehmen zu

Immer wieder führt ein falsches Verhalten der Bewohner*innen bei Begegnungen mit Elefanten zu vermeidbaren Unfällen. Dringen die Elefanten ins Dorf ein so bildet sich schnell eine aufgeregte Menschentraube. Die vermeintlich mutigsten untern den Bewohner*innen trauen sich nahe an die riesigen Dickhäuter heran und werfen mitunter Steine, um sie zu vertreiben. Dies führt zu einer steigenden Nervosität bei den sonst so sanften Riesen und provoziert plötzliche Gegenangriffe der Elefanten gegen die Menschenansammlung. Nicht selten werden dabei Menschen totgetrampelt oder in die Luft geschleudert. Aus Vergeltung werden die Elefanten dann vergiftet. Jedes Jahr gibt es Todesfälle und Verletzte. Insgesamt sind in Nepal 300 Menschen von Elefanten getötet worden.

Zäune nützen nichts

Die nepalesische Regierung hat bereits versucht, die Dörfer durch Betonzäune oder Elektrozäune von den Wanderkorridoren der Elefanten abzutrennen – jedoch ohne Erfolg. Während Nashörner und andere Wildtiere sich recht gut durch Zäune zurückhalten lassen, ist die Überwindung selbst von Elektrozäunen für die hochintelligenten Dickhäuter kein Problem. Die Instandhaltung dieser teuren Infrastruktur zur Abwehr von Tieren ist für die lokalen Gemeinden finanziell nicht tragbar. Kaputte Zäune können nicht repariert werden. Sogar die Umsiedlung der Bewohner*innen wurde bereits diskutiert. Sie ist aber aufgrund der allgemeinen Landknappheit in der Region keine Option.

Nur kostengünstige Lösungen können in den Dörfern umgesetzt werden

Aus diesen Gründen setzen wir in unserem Projekt auf simple und kostengünstige Methoden, um die Menschen in den Dörfern frühzeitig vor dem Herannahen der Elefanten zu warnen. Wir haben hierzu an neun Standorten einfache Türme mit Sirenen gebaut und eine mobile App entwickelt, die die Bewohner*innen bei Sichtung von Elefanten warnt. Auch in diesem entlegenen Gebiet Nepals sind Smartphones zunehmend weit verbreitet. Gleichzeitig setzen wir konsequent auf ein Training der Dorfbewohner*innen. Beim Auftauchen von Elefanten heißt es: Ruhe bewahren, alle warnen und in die Häuser zurückkehren, bis die Elefanten wieder weg sind. Es konnte gezeigt werden, dass die Schäden an den Ernten so erheblich verringert werden konnten. Außerdem kam es seit Projektbeginn zu keinem einzigen Todesfall mehr durch den Zusammenstoß mit Elefanten.

Gleichzeitig hat unser Partner vor Ort ein kollektives Sparprogramm aufgelegt, aus dem für entstandene Schäden Ausgleichszahlungen geleistet werden. Dies spielt eine Schlüsselrolle für die langfristige Schaffung der Akzeptanz der Dickhäuter. Wir setzen uns auch auf Provinzebene dafür ein, dass die Regierung in die Ausgleichszahlungen einsteigt und diese unbürokratisch abwickelt.

Lokale Elefantenschutzgruppen sind das Bindeglied

Eine entscheidende Rolle bei der Durchführung der Maßnahmen bilden die Elefantenschutzgruppen, die sogenannten Hathimirosathi, die in den Dörfern gegründet und geschult worden sind. Sie geben ihr Wissen über das Verhalten und die Bewegungen der Elefanten an die Dorfbewohner*innen weiter, erhalten Informationen von der Nationalparkverwaltung und unterstützen die Dorfbewohner*innen bei Schäden. In den Hathimirosathi sind hauptsächlich junge Menschen organisiert – unter ihnen auffallend viele Frauen. Die Hathimirosathi bilden das Bindeglied zwischen der Nationalparkverwaltung und der Dorfbevölkerung. So kommt erstmals ein Informationsfluss über die Elefanten von den Behörden zu den Bewohner*innen zustande.

© Thies Geertz/GNF

 

 

„Die einzige dauerhafte Lösung ist die Akzeptanz der Elefanten und die Änderung des Verhaltens der Dorfbewohner*innen“, sagt Shusila Chetri, eine junge Naturschützerin aus einem Dorf in der Nähe des Bardiya Nationalparks. „Die Elefanten werden ihr Verhalten nicht ändern, aber wir Menschen sind durch Aufklärung dazu in der Lage. Durch die Arbeit der Hathimirosathi konnten wir zeigen, dass dies möglich ist und die Schäden vermindert werden können“, sagt Shusila weiter.

 

 

Wie gut, dass der Global Nature Fund Shusila Chetri und die Hathimirosathi für weitere drei Jahre unterstützen wird, um auf die ersten ermutigenden Erfolge aufzubauen.

© Thies Geertz/GNF