GNF - Totes-Meer-Kanal
 

Fragen und Antworten zum Toten-Meer-Kanal und der Machbarkeitsstudie der Weltbank 

 

Warum soll ein Kanal zwischen dem Roten und dem Toten Meer gebaut werden?

Das Tote Meer trocknet aus. Während der Wasserspiegel im Jahr 1970 noch rund 389 m unter dem Meeresspiegel lag, ist er mittlerweile auf - 427 m abgesunken. Nun soll Wasser aus dem Roten Meer dazu genutzt werden, das Tote Meer wieder „aufzufüllen“. Das Ziel ist es, den Wasserstand des Toten Meeres bis 2054 auf einer Höhe von - 416 m zu stabilisieren. Der Höhenunterschied zwischen dem Roten und dem Toten Meer soll dazu genutzt werden, ein Wasserkraftwerk zu betreiben, dessen Energie wiederum für die Entsalzungsanlage eingesetzt werden soll. Insgesamt sollen jährlich bis zu 850 Millionen m3 Meerwasser entsalzt werden, um Israel, Jordanien und die Palästinensischen Gebiete mit Trinkwasser zu versorgen. Die verbliebene Salzlake soll ebenfalls in das Tote Meer geleitet werden.

 

Die Idee eines Kanalbaus zwischen dem Toten Meer und dem Roten Meer ist alt. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts war ein solcher Kanal als Verkehrsweg und zur Energiegewinnung im Gespräch. Im Jahr 2002, als Israel und Jordanien den Plan als „Friedenskanal“ auf dem Weltgipfel in Johannesburg vorstellten, bekam die Idee neues Gewicht. Kurze Zeit später unterstützte auch die Palästinensische Autonomiebehörde den Plan und im Mai 2005 erklärten sich die drei Anrainerstaaten dazu bereit, eine Studie zur Machbarkeit eines solchen Kanals zu unterstützen. Die Studie wurde mit Hilfe der Weltbank durchgeführt und durch einen Multi-Geber-Treuhandfonds finanziert, der im Dezember 2006 gegründet wurde.

 

Wie viel kostet der Bau des Kanals?

Die geschätzten Gesamtkosten für das Projekt belaufen sich auf 11,1 – 11,3 Milliarden US Dollar. Hinzu kommen jährliche Betriebs- und Wartungskosten von ca. 400 Millionen US Dollar, die sich bis 2060 auf eine Summe von über 660 Millionen US Dollar erhöhen. 

 

Wer wird den Bau finanzieren?

Mögliche Finanzierungsquellen sind laut Studie die Regierungen der Anrainerstaaten, multilaterale Kredite, privates Kapital, Spenden, Exportkredite und zinsvergünstigte Darlehen, sowie Investitionen der Auftragnehmer für das Wasserkraftwerk und die Entsalzungsanlage. Die Betriebs- und Wartungskosten sollen durch die Tarife für das Trinkwasser und die durch das Kraftwerk produzierte Energie gedeckt werden.

 

Was sagen die Befürworter zum geplanten Kanal?

Die Befürworter – überwiegend politische Entscheidungsträger und Technokraten in den Anrainernationen am Toten Meer – sehen den Kanal als einzig mögliche Maßnahme, um das Tote Meer zu retten. Durch den Wiederanstieg des Toten Meeres würde der internationale Tourismus angekurbelt und die Mineralgewinnungsindustrie vor den durch das Absinken des Toten Meeres bedingten Verlusten bewahrt werden. Außerdem könne durch den Kanal der Süßwasserbedarf in der Region gedeckt werden. Da es sich um eine gemeinsame Initiative der israelischen, jordanischen und palästinensischen Regierungen handelt, ist der Kanalbau aus Sicht der Befürworter zudem ein wichtiger Schritt zu Kooperation und Frieden im Nahen Osten.

Was sagen die Kritiker zum geplanten Kanal?

Skeptisch äußern sich regionale und internationale Umweltverbände und Wissenschaftler zu dem Projekt. So ist zum Beispiel nicht absehbar, welche Auswirkungen das Abpumpen großer Wassermengen auf das empfindliche Korallenriff im Golf von Akaba haben wird oder wie der Bau der Wasserleitungen die natürliche Landschaft des Aravatals, die Senke vom Toten Meer zum Golf von Akaba, verändern wird. Zudem wird sich durch die Vermischung des sulfathaltigen Wassers des Roten Meeres mit dem kalziumhaltigen Wasser des Toten Meeres Gips bilden. Die genaue Menge an Gips-Ablagerungen sowie deren Auswirkungen auf das Ökosystem des Toten Meeres sind nicht abschätzbar. Des Weiteren besteht die Möglichkeit des Algenwachstums im Toten Meer, wenn sich der Salzgehalt des eingeleiteten Wassers zu stark unterscheidet.

 

Auch aus ökonomischer Sicht ist das Projekt fraglich. Je nachdem wie stark die Ausbreitung der Gipskristalle ausfällt, könnte sich das Tote Meer weiß färben und neben dem Tourismus würde auch die Mineralgewinnungsindustrie leiden. Auch reicht die Energie des Wasserkraftwerks weder für den Betrieb der Entsalzungsanlage aus, noch für die Pumpen, die das Trinkwasser in die Städte befördern sollen. Der Weltbank-Studie zufolge werden im Rahmen des Projekts bis zum Jahr 2020 2.530 GWh mehr verbraucht als produziert.

 

Auch aus technischer Sicht könnten Probleme auftreten. Bei einem sehr langen Rohrleitungssystem wie diesem muss damit gerechnet werden, dass Lecks entstehen, wodurch wertvolle Grundwasservorkommen versalzt würden. Außerdem ist das Gebiet zwischen dem Roten Meer und dem Toten Meer seismisch aktiv: ein starkes Erdbeben könnte die Leitungen beschädigen.

 

Aus der Sicht palästinensischer Nichtregierungsorganisationen untergräbt der Plan für den Bau dieses Kanals die Wasserrechte der Palästinenser. Die massive Umleitung des Wassers aus dem Unteren Jordan würde durch den Bau des Kanals legitimiert werden und die Palästinenser müssten einen hohen Preis für entsalztes Trinkwasser zahlen, obwohl ihnen die freie Nutzung des Jordanwassers zusteht.

Gibt es Alternativen zu dem Kanal?

Anstatt Milliarden von US Dollar in ein Projekt zu investieren, dessen ökonomische, ökologische und soziale Folgen nicht wirklich abschätzbar sind, sollten vielmehr die Ursachen des Problems angegangen werden: die massive Umleitung von Wasser aus dem Hauptzufluss des Toten Meeres, dem Unteren Jordan, und die Übernutzung der Wasserressourcen des salzhaltigen Sees durch die Mineralindustrie.

 

Bereits 400–600 Millionen Kubikmeter Wasser würden ausreichen, um den Unteren Jordan wieder auf ein akzeptables Maß zu bringen. Laut einer von FoEME durchgeführten Studie könnten in den drei Anrainerstaaten über eine Milliarde Kubikmeter Wasser eingespart werden.

 

Neben der Regenerierung des Jordan müsste auch die Mineralgewinnungsindustrie ihre Praktiken ändern. Zurzeit werden jährlich 650 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Toten Meer in angelegte Verdunstungsbecken geleitet. Die wertvollen Mineralien könnten stattdessen auch mit Hilfe spezieller Membranen aus dem Salzwasser gefiltert werden. Da dies aber sehr teuer ist und die Industrie bisher kein Geld für die Nutzung des Toten-Meer-Wassers zahlt, müssten von den Regierungen erst Anreize für den Einsatz solcher Technologien geschaffen werden.

 

Wann wird der Kanal gebaut werden?

Auch nach der Durchführung der Machbarkeitsstudie steht noch nicht fest, ob der Kanal gebaut wird. Dies hängt vor allem mit den damit verbundenen, sehr hohen Kosten zusammen. Laut Weltbank müssten erst mindestens 4 Milliarden US Dollar an internationalen Spenden und Darlehen gesichert werden. In Anbetracht der momentanen Weltwirtschaftskrise wird dies eher schwierig werden. Hinzu kommt, dass Israel hoch verschuldet ist und Jordanien kurz vor dem Bankrott steht. So scheint das Mammutprojekt zumindest zurzeit nicht finanzierbar zu sein. (Dezember 2013)

Weitere Informationen

 

Quellen

Die Zeit (24.02.2013), Der durstige Salzsee

www.zeit.de/2013/08/Oekologie-Totes-Meer-Austrocknung-Rotes-Meer

 

Friends of the Earth Middle East (2013), Red-Dead Conduit. Introduction

foeme.org/www/?module=projects&record_id=51

 

Friends of the Earth Middle East (2013), News Alert. Good News for the Lower Jordan River

foeme.org/peace.php?id=109

 

Friends of the Earth Middle East (2010), Towards a Living Jordan River: An Environmental Flows Report on the Rehabilitation of the Lower Jordan River

foeme.org/uploads/publications_publ117_1.pdf

 

Friends of the Earth Middle East (2010), Towards a Living Jordan River: An Economic Analysis of Policy Options for Water Conservation in Jordan, Israel and Palestine

foeme.org/uploads/publications_publ118_1.pdf

 

The World Bank (2012), Draft Final Feasibility Study Report. Summary

siteresources.worldbank.org/INTREDSEADEADSEA/Resources/Feasibility_Study_Report_Summary_EN.pdf

 

The World Bank (2013), Study Program Financing

go.worldbank.org/NCTAU6PB40

 

Salzburger Nachrichten (16.08.2013), Der Jordan soll wieder ein Fluss werden

foeme.org/uploads/Salzburger_Nachrichten_August_16_2013%282%29.pdf

 

Scoop Independent News (04.11.2013), Palestinian NGOs on World Bank-sponsored Red-Dead Sea Canal

www.scoop.co.nz/stories/WO1311/S00023/palestinian-ngos-on-world-bank-sponsored-red-dead-sea-canal.htm