GNF - Interview zum Bedrohten See 2017 - Tanganjikasee
 

Interview mit Herrn Emmanuel Nshimirimana

Geschäftsführer der Umweltorganisation Biraturaba, Burundi

Frage: Welches sind die größten Probleme und Herausforderungen, mit denen der Tanganjikasee konfrontiert ist?

Antwort: Die bedeutendsten Probleme und Veränderungen, mit denen der Tanganjikasee konfrontiert ist, sind:

  • Enorme Einträge durch Sedimentierung und sowie Nährstoff- und Schadstoffbelastung durch Müll und Abwässer aus Industrie und Haushalten,
  • Intensive Fischerei und die Nutzung ungeeigneter Fangmethoden, sowie
  • Zerstörung der Pufferzonen und Fischlaichgebiete durch Bebauung und landwirtschaftliche Nutzung von Flächen direkt in den Uferzonen des Tanganjikasees.
 Emmanuel Nshimirimana
 

Frage: Welches sind die Hauptexistenzgrundlagen der lokalen Bevölkerung am Tanganjikasee?

Antwort: Die lokale Bevölkerung am Tanganjikasee lebt hauptsächlich von:

  • Fischerei und Fischvermarktung,
  • Landwirtschaft in den ländlichen Gebieten und
  • Handel in den städtischen Regionen.

 

Frage: Gibt es kommerziellen Fischfang am Tanganjikasee? Hat die Fischerei negative Auswirkungen auf den See? Wo wird der Fisch aus dem Tanganjikasee hauptsächlich vermarktet?  

Antwort: Die Fischerei am Tanganjikasee ist immer noch eher handwerklich. Eine große, kommerzielle Fischindustrie, die den Fisch nach Europa und Asien exportiert, gibt es am Tanganjikasee derzeit nicht. Der Fisch wird entweder frisch oder geräuchert in den Städten und ländlichen Gebieten der Anrainerstaaten vermarktet.

Viele Jahre war der Fischfang die Haupteinnahmequelle der Bewohner in der Region. Um die wachsende Bevölkerung zu versorgen, wurde die Landwirtschaft ausgeweitet und intensiviert. In den letzten Jahren nun zeigen sich die Auswirkungen. Erosion sowie die Auslaugung und Verschlechterung der Böden lassen die landwirtschaftliche Ausbeute immer weiter sinken. Daher suchen die Leute nach einer alternativen Einkommensquelle und immer mehr Menschen setzen auf die Fischerei. Doch auch das bleibt nicht ohne negative Folgen: Überfischung und Übernutzung der natürlichen Ressourcen des Sees, forciert durch den Einsatz ungeeigneter Fangmethoden zum Beispiel mit Moskitonetzen, bedrohen den Tanganjikasee.

 

Frage: Welche Fischarten warden hauptsächlich im See gefangen? Gibt es Arten, die aufgrund des Fischfangs bedroht sind?

Antwort: Im Tanganjikasee werden hauptsächlich sechs Fischarten gefangen: Zwei Heringsarten (Stolothrissa tanganicae und Limnothrissa miodon) und vier Riesenbarsche (Lates stappersii, L. angustifrons, L. mariae und L. microlepis). All diese Arten sind im Tanganjikasee endemisch und auf der Roten Liste der bedrohten Arten der IUCN. Sie sind dort aufgrund von Überfischung und Verschmutzung gelistet als „vom Aussterben bedroht“.

 

Frage: Ist der Tanganjikasee eine Trinkwasserressource?

Antwort: Ja, der Tanganjikasee ist eine wichtige Trinkwasserressource für die Menschen am See. In den Städten rund um den See gibt es oft Schwierigkeiten, Zugang zu sauberem Trinkwasser zu bekommen. Es gibt nur wenige Quellen in den küstennahen Gebieten. Daher müssen die Menschen das ungereinigte Wasser direkt aus dem See oder aus den Zuflüssen entnehmen. Durch den Konsum des verschmutzten Wassers kommt es regelmäßig zu Ausbrüchen von schweren Krankheiten wie zum Beispiel Cholera. 

 

Frage: Ist sich die örtliche Bevölkerung der Probleme am Tanganjikasee bewusst?

Antwort: Im Allgemeinen wissen die Anwohner, dass es Probleme am Tanganjikasee gibt. Sie sind sich über den allmählichen Rückgang der Fischbestände bewusst, dass das Wasser des Sees immer mehr verschmutzt und durch Sedimentablagerung belastet wird. Doch der größte Teil der Bevölkerung kennt nicht die Ursachen für diese Probleme und auch nicht, wie man sie vermeiden könnte. Einige Menschen sind sich zwar über die Zusammenhänge bewusst, sie handeln aber nicht, da sich die nötigen Maßnahmen nachteilig auf ihre eigenen Interessen auswirken würden. Die Anrainer des Sees sind nicht in der Lage, ihr Gemeinwohl zu verteidigen.

 

Frage: Wäre der Tourismus eine alternative Einkommensquelle für die Bevölkerung am Tanganjikasee?

Antwort: Der Tanganjikasee hat zwar ein großes touristisches Potential, doch dies spielt nur eine untergeordnete Rolle. Bei uns in Burundi hat sich der Tourismus aufgrund wiederholter politischer Krisen seit den 1980ern nicht entwickelt. Daher bleibt das Tourismuspotential des Tanganjikasees vorerst unentdeckt, da Investoren wegen der politischen Unsicherheit ausbleiben.

 

Frage: Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es für die Herausforderungen am Tanganjikasee?

Antwort: Mögliche Lösungen für die Herausforderungen am See sind:

  • Verschmutzung reduzieren: Ein umfassendes Müll- und Abwassermanagement in den Städten und Dörfern am Tanganjikasee entwickeln, Projekte zur Bereitstellung von sauberem Trinkwasser durchführen und die Öffentlichkeit über Hygiene- und Gesundheitsfragen informieren.
  • Sedimentierung im Tanganjikabecken reduzieren: Landwirte über die Anwendung geeigneter und nachhaltiger Anbaumethoden zum Erosionsschutz schulen und unterstützen, z. B. durch Terrassierung und Bepflanzung von Hängen und Böschungen.
  • Überfischung verringern: Monitoring der eingesetzten Fischereitechniken und -materialien erstellen und Fischer in nachhaltigen Fischfangmethoden schulen. Gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung alternative Einkommensmöglichkeiten entwickeln.
  • Verordnungen zum Schutz des Tanganjikasees erlassen, die für alle vier Anrainerstaaten gelten.
  • Gebiete unter Schutz stellen, die eine hohe Biodiversität aufweisen, insbesondere Fischlaichgebiete.

 

Frage: Was sind die Funktion und der Hauptaufgabenbereich von Biraturaba?

Antwort: Die Rolle und die Hauptaufgaben von Biraturaba sind u. a.

(i) die Sensibilisierung verschiedener Interessenvertreter, um eine gemeinsame Vision für das Management der natürlichen Ressourcen des Tanganjikasees zu entwickeln;

(ii) Schulung und Aufklärung der Bevölkerung am See über Hygiene- und Gesundheitsmaßnahmen;

(iii) Entwicklung kommunaler Trinkwasserprojekte sowie von alternativen, Einkommen generierenden Aktivitäten.

 

Frage: Wer sind die weiteren wichtigen Akteure in Bezug auf den Schutz des Tanganjikasees?

Antwort: Die vier Anrainerstaaten haben auf lokaler Ebene bereits einen Kooperationsrahmen geschaffen, die sogenannte Tanganjika-Seenbehörde. Leider gehören die vier Länder zu den ärmsten der Welt und sind nicht in der Lage, die Situation allein zu bewältigen. Wir brauchen gezielte Hilfe von außen, um den Zustand des Ökosystems Tanganjikasee sowie der Menschen in den Gemeinden am See zu verbessern. Die Tatsache, dass sich vier Anrainerstaaten den See teilen, erschwert den Weg hin zu einem nachhaltigen Management der Wasserressourcen. Gesetze und Vorschriften müssen vereinheitlicht werden. Die Gründung der Tanganjika-Seenbehörde ist ein wichtiger erster Schritt in die richtige Richtung.

Weitere wichtige Akteure sind öffentliche Institutionen in den vier Ländern, die für Wasser, Umwelt und Gesundheitspflege zuständig sind. Es gibt auch eine Reihe weiterer, aktiver NGOs, die die Gemeinden am See unterstützen.

 

Frage: Was erhoffen Sie sich von der Ernennung des Tanganjikasees zum Bedrohten See des Jahres 2017?

Antwort: Meine Erwartungen sind:

(I) Der Tanganjikasee ist nicht nur auf lokaler sondern auch internationaler Ebene bekannt;

(II) Lokales und internationales Bewusstsein schaffen für die ökonomische und ökologische Bedeutung des Sees, seine Bedrohungen und dass wir es nur gemeinsam schaffen, ein nachhaltiges Management für die natürlichen Ressourcen des Tanganjikasees zu etablieren;

(III) Die Aufmerksamkeit von Förderern, technischen und wissenschaftlichen Institutionen zu erregen, um technische, finanzielle und wissenschaftliche Unterstützung für den Schutz des Tanganjikasees zu erhalten.

(IV) Eine bessere Wahrnehmung und Kapazitätenbildung der Tanganjika-Seenbehörde, um die regionale Koordination eines nachhaltigen Seenmanagements zu erreichen.

 

Frage: Der Tanganjikasee und Biraturaba sind seit 2011 Mitglied im internationalen Seennetzwerk Living Lakes und Partner des Global Nature Fund. Gab es bereits gemeinsame Projekte, um den See zu schützen?

Antwort: Im Jahr 2012 haben wir zusammen mit dem Global Nature Fund das Projekt „Sauberes Trinkwasser für Schulkinder“ gestartet. Ziel war es, die Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung zu verbessern. Wir haben Wasserfiltersysteme installiert, welche die Schulkinder und Bewohner der beiden ärmsten Vorstädte Bujumburas – Kagwema und Rukaramu – am nördlichen Ufer des Tanganjikasees mit sauberem Trinkwasser versorgen. In 2013 folgte ein Projekt zur „Bekämpfung der Entwaldung durch das Anpflanzen von Bäumen und die Einführung verbesserter Kochstellen“, um der Abholzung, der Erosion und dem Habitatverlust im burundischen Hinterland entgegenzuwirken.

Für 2017 planen wir gemeinsam mit dem GNF ein weiteres Trinkwasserprojekt im Dorf Gitaza, das 26 Kilometer südlich der burundischen Hauptstadt Bujumbura liegt. Mit der Umsetzung der geplanten Maßnahmen könnten 800 Haushalte und 2.800 Schüler mit sauberem und sicherem Trinkwasser versorgt und somit den Ausbruch von Krankheiten durch das verschmutze Wasser verhindert werden. Das würde die Lebensbedingungen der Bewohner von Gitaza enorm verbessern.